13

 

Ich hielt Tonys Plan, in Tiri bis zu Olivers Abreise weiterzumachen, für ziemlich unmöglich. Abgesehen von ihren eigenen Gefühlen interessierte sich der Bezirk natürlich sehr für die Verlobung und beobachtete liebevoll, was im Laden und im Haus des Doktors vor sich ging. Sie waren beide verliebt, und auch ein Hauch von Romantik umgab dieses Mädchen, dessen Vater, wie alle wußten, wohlhabend war, und das trotzdem lieber in einem Laden auf dem Lande arbeitete. Alle hatten sich gefreut, als die Verlobung angekündigt wurde, und man würde sicher Verdacht schöpfen, daß etwas nicht stimmte. Wenn Tony nur für eine Zeit lang wegfahren könnte! Tantchen würde es verstehen und zurechtkommen, wenn es nicht zu lange dauerte. Edith Stewart würde wahrscheinlich gerne kommen, denn sie hatte nie vergessen, wie freundlich Tony und Miss Adams waren, als der elende Freeman sie verlassen hatte, und später, als sie Ted heiratete. Ja, Tantchen würde zurechtkommen, aber wohin konnte Tony gehen?

Zaghaft und ungeschickt sagte ich am nächsten Morgen: »Du würdest wohl nicht für ein paar Tage zu deiner Mutter fahren? Von da aus könntest du alte Schulfreunde besuchen. Du weißt, daß sie dich immer darum bitten, und deine Mutter hat in ihrem letzten Brief sehr auf einen Besuch gedrängt.«

»Nicht um alles in der Welt. Mutter möchte nur, daß ich mich bei ihren Freunden zeige. Deshalb hat sie es vorgeschlagen. Sie wird wahnsinnig werden, wenn sie hört, daß ich einen so vielversprechenden jungen Arzt sitzenlasse... Die Mädchen, mit denen ich zur Schule ging, mag ich zwar alle noch sehr, aber wir haben jeden Kontakt verloren. Sie leben ein völlig anderes Leben.«

Das war wohl leider wahr. Außerdem würde Claudia bestimmt nicht begeistert sein und Tony das auch sagen. Sie blieb Melbourne also besser fern.

Nur ein Jammer, daß kein Besuch von Alister bevorstand. Seine leichte unterhaltsame Art würde Tonys verletzten Stolz heilen, und er würde sie bestimmt nie drängen, irgendwen zu heiraten. Aber jetzt, da er so ein wichtiges Mitglied der Firma geworden war, blieb er sicher einige Zeit auf Reisen im fernen Osten.

Als ich das zu Paul sagte, überraschte er mich, weil er fragte:

»Warum denn nicht Japan?«

»Du meinst für Tony?«

»Natürlich. Warum sollte sie ihren Vater nicht begleiten? Sie braucht ja nicht die ganze Zeit zu bleiben, und sie kann jederzeit zurückfliegen, wenn Tantchen in Not ist.«

Das war ein Einfall, und an diesem Abend schrieb ich noch einen Luftpostbrief an Alister, um ihm alles zu erklären.

Wir hatten uns geeinigt, daß unsere engen Freunde von der gelösten Verlobung besser erfahren sollten. Niemand von ihnen würde auch nur im Traum daran denken, es jemandem zu erzählen oder mit Tony darüber zu sprechen. So überbrachte ich Larry und Tante Kate am späten Montag nachmittag diese Neuigkeit. Beide nahmen es ganz vernünftig auf und waren überhaupt nicht erstaunt.

»Ich habe nie geglaubt, daß Oliver es lange aushalten wollte,« sagte Larry.

»Und warum sollte er?« meinte Tante Kate barsch. »Er hat für den Bezirk viel Gutes getan.«

»Ja, aber nicht für Tony«, wandte ich ein.

»Das finde ich nicht«, sagte Kate bestimmt. »Natürlich hätte er seine Pläne nicht vor ihr verbergen sollen, aber wenn sie ihn wirklich geliebt hätte, wäre sie mit seinen Plänen einverstanden gewesen.«

Larry sagte langsam: »Ich mag Tony sehr gern, wie du weißt, aber diesmal war sie wirklich ein kleiner Dummkopf. Vielleicht war es gemein von Oliver, sie erst einzufangen oder es zu versuchen, aber den meisten Männern ist jedes Mittel recht, wenn sie verliebt sind, den Frauen übrigens auch. Tony sollte erkennen, daß es irgendwie ein Kompliment ist. Es zeigt, wieviel ihm an ihr lag... Aber mach’ kein so niedergeschlagenes Gesicht, Susan. Du warst von dieser Heirat nie sehr begeistert.«

»Das stimmt, aber du wärst auch niedergeschlagen, wenn der arme Junge sich eine Stunde lang bei dir ausweint und ausgesehen hätte, als wäre ihm das Herz gebrochen.«

»Daran bist du selbst schuld«, sagte Kate bestimmt. »Du bist eben ein Mensch, bei dem die Leute immer ihr Herz ausschütten. Aber am Ende wird alles gut. Oliver wird ein nettes Mädchen ohne hochtrabende Vorstellungen finden, das so vernünftig ist, einen ehrgeizigen jungen Mann zu schätzen.«

Anne war wie immer sehr viel mitfühlender. »Ich wünschte, Tony müßte ihm nicht die ganze Zeit begegnen. Es wird für beide schrecklich sein. Es tut mir furchtbar leid, Susan, aber letzten Endes glaube ich... «, dann zögerte sie.

»Ich dachte, du hättest dich über die Verlobung sehr gefreut, auch wenn du nicht viel gesagt hast.«

»Eigentlich nicht. Ich finde Oliver nett, er hat eine Zukunft vor sich, aber ich meine nicht, daß sie wirklich füreinander geschaffen sind, und ich finde, es war nicht richtig, Tony im Unklaren zu lassen. Wenn sie natürlich älter gewesen wäre oder... «

»Vernünftiger.«

»Ja, vermutlich, aber das ist nur bei wenigen Mädchen der Fall. Ich glaube, es ist ganz gut so, aber ich wünschte, die nächsten Monate wären schon vorbei.«

Weil sie so großes Mitleid hatte, erzählte ich ihr von meinem Brief an Alister. Sie war begeistert. »Oh, wenn das nur klappt... Er nimmt sie doch sicher mit, oder?«

»Ganz bestimmt, es sei denn, er hätte andere Pläne, aber das glaube ich nicht. Ich bin sicher, daß er nicht im geringsten die Absicht hat, wieder zu heiraten. Dazu fühlt er sich so viel zu wohl.«

»Ja, aber stört ihn Tony dann nicht, wenn sie mit ihm reist?«

Ich lachte. »Oh, Alister ist nicht dumm. Er ist viel zu schlau, als daß er es riskieren würde, auf seinen Reisen ins Gerede zu kommen. Er hält seine Vergnügungen streng geheim, nur für den Hausgebrauch.«

Anne lachte. » Jedenfalls ist er im Moment genau der richtige Kamerad für Tony. Ich meine, er wird sie nicht Trübsal blasen lassen, und sie werden ihren Spaß haben. Japan wird sehr aufregend sein. Sag mir sofort Bescheid, wenn du von ihm hörst.«

Menschen, die sanft und mitfühlend statt einfach forsch und erfrischend sind, helfen mir in solchen Situationen mehr.

Tony hatte gesagt: »Natürlich sollt ihr es euren Freunden erzählen. Ich möchte sie auf keinen Fall hintergehen.«

Na ja, auch Peter war unser Freund, obwohl er nicht erwähnt worden war. Als er uns an einem Tag dieser Woche besuchte, erzählte ich ihm daher so kurz wie möglich die traurige kleine Geschichte. Er hörte stumm zu. Dann zündete er sich eine Zigarette an, gab mir eine, setzte sich wieder hin und sagte leise: »Der arme Kerl.«

Ich sagte: »Das finde ich auch. Armer Oliver«, aber ich glaube nicht, daß er mir zuhörte, denn er rauchte noch immer schweigsam weiter und wiederholte dann erstaunlich einfallslos: »Der arme kleine Kerl«, und nun wußte ich, daß er Tony meinte.

Ich mußte fast lachen. Darin lag alles, und es gab weiter nichts zu sagen oder zu fragen. Peter sagte nur: »Wird schwer, bis er geht... Kommt Tonys Vater bald?«

Ich erzählte ihm von Alisters Plänen und sagte ihm, was ich getan hatte. Das fand er sehr gut. Fast zu sehr, denn als er gegangen war, dachte ich: »Würde er das nicht als seine Chance sehen, wenn er Tony wirklich gern hätte? Würde er sie nicht gerade jetzt für sich zu gewinnen versuchen?«

Aber als ich dies Paul zu sagen wagte, wurde er ganz böse und meinte: »Manchmal seht ihr Frauen die Lage wirklich völlig falsch.« Das machte mich natürlich wütend.

»Was meinst du damit? Tony mag Peter sehr gern, und er könnte sie trösten.«

Er sah mich etwas ungehalten an und sagte dann: »Vielleicht könnte er das — aber wie ist es mit Peter? Warum sollte er sich opfern, um ihren verletzten Stolz zu heilen?«

»Aber es wäre kein Opfer, wenn er sie gern hat.«

»Aber natürlich. Peter möchte nicht als Zweitbester hinter Oliver Barrett zur Hintertür ’reinschlüpfen. Er würde nicht sagen: >Du warst ein kleines Dummchen, und du bist unglücklich. Du hast einen anständigen Mann verletzt, darum schämst du dich jetzt. Aber Kopf hoch. Ich bin noch da. Jetzt kannst du alles vergessen<.«

Dann kam Ablenkung. Donnerstag abend rief Alister aus Sydney an. »Hallo, Susan. Ich habe eben deinen Brief bekommen. So hat das Kind mal wieder seinen Kopf durchgesetzt. Der arme kleine Kerl, wie kann sie nur so dumm sein?«

»Oh, Alister, sie ist nicht nur dumm. Sie ist sehr unglücklich.«

»Natürlich ist sie das — ich habe sie jedenfalls lieber dumm. Schick sie mir so bald wie möglich, und ich werde sie mit vielen jungen Männern bekannt machen. Danach reisen wir nach Japan ab. Ernsthaft, Susan, das tut mir alles schrecklich leid. Sie führt dir schon einen Tanz auf.«

»Das macht nichts. Mir tut es nur leid, was sie durchmacht.«

»Ich weiß. Na ja, wir werden sehen, ob der Ferne Osten sie ablenken kann... Sag ihr, sie soll sich über passende Kleider keine Sorgen machen; schick sie, wie sie ist. Ich fahre in zehn Tagen ab, bis dahin kann sie sich hier selbst beschäftigen und einen Einkaufsbummel machen.«

»Das ist herrlich, Alister. Ich werde es ihr sofort sagen. Natürlich wird sie protestieren, aber sie wird unheimlich erleichtert sein. Ich werde sie nächste Woche auf den Weg schicken und dir den Tag und den Flug per Telegramm durchgeben.«

Dankbar, wenn auch etwas schweren Herzens, hängte ich ein. Tony ging weg, und zum ersten Mal hatte sie mich nicht zu ihrer Vertrauten gemacht.

Am nächsten Tag fuhr ich nach Tiri und besuchte erst Tantchen, die in dem kleinen Zimmer hinter dem Laden allein war. Als ich mich darin umsah, mußte ich denken, wie oft ich in den letzten Jahren hierher gekommen war, um etwas mit ihr zu besprechen, und sie hatte mich nie im Stich gelassen. Sie ließ mich auch jetzt nicht im Stich.

»Ein hervorragender Plan. Ob ich zurechtkomme? Na ja, ich werde sie natürlich vermissen, weil sie jetzt praktisch den Laden führt, aber sie hat Miranda sehr gut eingewiesen, und der alte Caleb verpfuscht auch nur noch ganz selten einen Auftrag.«

»Wie wäre es mit Edith Stewart? Ich habe mich gefragt, ob sie nicht gern kommen würde.«

»Das ist eine gute Idee. Sie würde sicher kommen. Sie ist sehr glücklich mit ihrem Ted, aber jetzt ist für die meisten Farmer eine flaue Zeit, da will Edith bestimmt gern etwas verdienen. Ted kann sie mit dem Auto bringen, und sie kann drei Tage in der Woche bleiben. Sie wird ihm fehlen, aber es ist ja nicht für immer. Wir werden Tony bald wieder haben.«

»Glauben Sie? Ich fürchte eher, daß... daß... «

»Daß sie einen von Alisters forschen jungen Männern heiraten wird? Das glaube ich nicht. Ich glaube, Tony ist hier verwurzelt.«

»Aber für immer?«

Tantchen sah mich aufmunternd an. »Wir wollen nicht in die Zukunft schauen. Das war eine harte Erfahrung für beide, Tony braucht eine Verschnaufpause.«

»Waren Sie erstaunt?«

»Nicht im geringsten. Nur ein Idealist oder ein Dummkopf, was ziemlich auf dasselbe herauskommt, könnte glauben, daß Dr. Barrett damit zufrieden wäre, sein Leben hier zu verbringen. Und nur ein Optimist, der sehr selbstsicher ist, und das ist bei Oliver der Fall, konnte meinen, daß er Tony ohne vorherige Vorbereitung zu seiner Denkweise bekehren könnte. Tony ist in mancher Hinsicht unbeweglich, sie glaubt, daß sie getäuscht wurde — nicht nur, was die Zukunft, sondern auch was den Mann betrifft. Sie hat jemanden geliebt, den es nicht gibt, und sie macht sich mit Recht Vorwürfe. Nicht richtig ist, daß sie ihm auch Vorwürfe macht.«

Ich sagte ziemlich eifersüchtig: »Sie hat also mit Ihnen darüber gesprochen?«

»Ein bißchen. Es war unvermeidlich, da Oliver ungefähr zweimal am Tag hereingestürzt kam und Szenen machte.«

»Hat er das getan? Wie schrecklich für Sie!«

»Oh, sie waren sehr rücksichtsvoll und haben ihre Auseinandersetzungen im Supermarkt ausgetragen. Keine sehr romantische Kulisse.«

Tantchen war weder unfreundlich noch zynisch. Sie war wie gewöhnlich praktisch und weise. Als ich nach ihren letzten Worten ging, fühlte ich mich besser. »Machen Sie sich keine Sorgen, Susan. Tony hat einen harten Schlag erlitten, aber ihr Herz ist nicht gebrochen, und eines Tages wird sie herausfinden, was Liebe wirklich ist. Inzwischen werden Japan und Alister ihr sehr guttun.«

Ich ging zum Supermarkt hinüber, wo Tony traurig Vorräte in die Regale einräumte und Caleb im Hinterraum Zwiebeln abwog. Es fuhr mir einfach durch den Kopf, wie eigenartig es doch war, daß ein schönes Mädchen wie Tony dieses Leben jenem vorzog, das Oliver ihr bot. Es waren keine Kunden da, und so konnte ich offen sprechen. Ich sagte: »Tony, bitte denke nicht, daß ich mich einmischen will, aber ich meine, du solltest Tiri für eine Weile verlassen.«

»Ja, das meine ich auch, Susan, und natürlich glaube ich nicht, daß du dich einmischst. Aber finde mir jemanden für Tantchen und einen Ort, wohin ich fahren kann, dann bin ich weg wie der Blitz.«

»Ich habe mit Tantchen gesprochen, und sie ist sicher, daß sie für einige Zeit zurechtkommt. Edith würde bestimmt gern kommen. Was den Ort betrifft, wie wäre es mit Japan?«

Ihr Gesicht leuchtete auf, aber sie sagte langsam: »Hast du mit Vater Verbindung aufgenommen? Möchte er mich wirklich mitnehmen, oder hat er nur Mitleid?«

»Natürlich will er dich mitnehmen. Daß er auch Mitleid mit dir hat, ist natürlich, aber die Reise schlägt er nicht aus Mitleid vor. Er möchte gern mit dir zusammen sein. Ich bin mit ihm in Verbindung getreten, weil ich dachte, daß du lange brauchen würdest, um ihm zu schreiben und zu erklären, daß die Verlobung gelöst ist. Ich habe ihm einen Luftpostbrief geschickt, und gestern abend hat er angerufen. Er sagt, du sollst nächste Woche zu ihm kommen, alle Kleider dort kaufen und bereit sein, in zehn Tagen mit ihm nach Japan zu fahren. Japan ist genau der richtige Ort für dich.«

»Oh, Susan«, sagte Tony, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, die ersten Tränen, die ich sah, seit der ganze Kummer begonnen hatte. »Du bist so ein Schatz und Vater auch. Es wird herrlich sein, von hier wegzugehen. Es ist wirklich ziemlich schrecklich.«

»Das habe ich schon von Tantchen gehört.«

»Oliver ist so unglücklich und so wütend, und ich fühle mich so schlecht. Ich glaube, es war schlecht von mir, zu meinen, daß ich ihn liebte, aber er ließ mich glauben... Oh, lassen wir das... Wenn er nur verstehen würde... Wenn er nur einsehen würde, daß ich ihm in dem Leben, das er plant, nichts nütze. Aber er kommt und diskutiert und verteidigt sich, ach, ich habe es so satt«; sie legte ihren Kopf auf die Theke und weinte wie ein Kind, das sie irgendwie noch immer war.

Natürlich war ich auch nicht besser, so daß Caleb, als er seinen Kopf durch die Türe steckte, um Tony etwas zu fragen, ihn ganz schnell völlig entsetzt zurückzog, sich umdrehte und die Flucht ergriff. Ich lachte: »Armer alter Caleb! Er muß einen Schreck bekommen haben. Wir benehmen uns beide wie kleine Kinder.«

Tony trocknete ihre Tränen und sagte: »Denk nur, ich kann weggehen! Wann kann ich gehen? Wirst du es Oliver sagen, Susan?«

Aber es gibt Grenzen, die nicht einmal ich überschreiten würde, und ich sagte: »Du kannst Samstag nach Hause kommen und Montag abfahren. Aber ich werde es Oliver nicht sagen. Schreib ihm einen Brief, den Tantchen ihm geben soll, wenn du weg bist. Das ist besser für ihn, und ich kann nichts mehr verkraften... Komm, jetzt wollen wir nicht mehr von Oliver reden... Du wirst viel Spaß haben. Larry und ich, wir werden dich zum Flughafen bringen und unsere Einkäufe für die Kinder erledigen. Gott sei Dank brauchen wir nicht viel... Und Tony, ich möchte nicht hart sein, aber ich kann Oliver wirklich nicht mehr ertragen.«

Aber es blieb mir nicht erspart, denn noch an diesem Abend kam Dr. Barretts Wagen angerast, er stürzte heraus und begann schon zu sprechen, bevor er die Türe erreichte.

»Susan, geht Tony wirklich weg? Als ich es hörte, ging ich zu Miss Adams Laden ’rüber, aber sie wollte mich nicht zu ihr lassen, sondern sagte, sie wäre mit Kopfschmerzen zu Bett gegangen. Aber ich weiß, daß etwas in der Luft liegt, deshalb bin ich zu dir gekommen.«

Ich sagte vorsichtig: »Woher weißt du das?« — als ob das wichtig wäre.

»Honi hat mir erzählt, daß seine Frau im Supermarkt eine Dose Fisch kaufen wollte und dich und Tony miteinander sprechen sah, deshalb ist sie wieder gegangen. Aber sie hat gehört, wie du gesagt hast: >Japan ist der richtige Ort für dich... < Warum Japan? Susan, du hast kein Recht, mich im unklaren zu lassen. Will Tony die Flucht ergreifen?«

Ich sagte: »Komm ’rein, Oliver, und versuche, nicht so laut zu sprechen. Die Kinder schlafen noch nicht... Ja, Tony geht weg. Ihr Vater muß nach Japan fahren, und er nimmt sie mit. Sie werden wahrscheinlich ein paar Monate bleiben.«

»Aber ich werde weg sein, bevor sie zurückkommen.«

»Ja. Das war der Zweck der Sache.«

Einen Augenblick lang dachte ich, er würde sich umdrehen und gehen, aber Oliver war nie unhöflich, und nach einer Pause fragte er ruhig: »Hast du das organisiert?«

»In gewisser Weise ja. Ich wußte, daß es für euch beide schrecklich war, so nah beieinander zu leben, und viel zu hart für Tony. Die einzige Möglichkeit ist, sofort Schluß zu machen und neu zu starten.«

»Aber ich hätte sie überzeugen können. Ich glaube nicht, daß sie ewig hätte widerstehen können.«

»Oh ja, das hätte sie gekonnt. Oliver, du mußt die Niederlage hinnehmen. Die bittere Wahrheit ist, daß Tony einen Fehler gemacht hat. Sie hat entdeckt, daß sie dich nicht genug liebt, um dir zu verzeihen, daß du sie getäuscht hast... Oh ja, das hast du getan... Du hättest es ihr schon lange sagen müssen. Trotzdem, wenn du der richtige Mann für sie wärst, würde sie darüber wegkommen und dem Leben teilen. Aber sie kann es nicht, und ich bin sicher, sie wird es nie können.«

Das ganze Theater zog sich weiter hin — ich hätte losschreien mögen — doch schließlich ging er, und ich war ziemlich sicher, daß er nicht versuchen würde, Tony wiederzusehen. Endlich hatte ihn der Stolz gepackt, und sobald sie nicht mehr hier war, würde er sich für die restliche Zeit in Tiri in sein Schicksal fügen. Er war tief getroffen, aber er würde sich wieder erholen.

Sein Stolz litt mindestens genauso wie sein Herz, denn er war so selbstsicher gewesen.

 

Er sah Tony jedoch nicht wieder. Freitag abend kam sie zu uns geritten und wartete nicht wie gewöhnlich bis Samstag, wahrscheinlich um sicher zu sein, daß er nicht versuchte, sie nach der Praxis noch zu sehen. Aber Tantchen erzählte später, daß er das nicht tat. Olivers Selbstachtung sagte ihm, daß er verloren hatte, und er wollte nicht darüber klagen.

Es war ausgesprochen aufregend, Tonys Flugreise vorzubereiten und zu wissen, daß wir sie wegbringen würden, während Tante Kate zu Hause nach dem Rechten sah. Sie hatte sogar darauf bestanden, meine und Larrys Kinder zu nehmen, worauf Paul beleidigt sagte, er sei froh, drei Tage Ruhe zu haben.

Wir waren gerade damit beschäftigt, Tonys Kleiderschrank zu sichten, als Peter am Sonntag morgen erschien. Er war freundlich und neutral, wie immer, und interessierte sich für Tonys Reise. »Ich fand Japan herrlich, und ich glaube, es wird dir genauso gehen. Aber es wird noch viel schöner sein mit jemandem, der alles genau kennt. Ich mußte mich allein durchschlagen und habe einige Schwierigkeiten gehabt.«

Er schien Tonys angestrengte Blässe nicht zu bemerken und fuhr ausnahmsweise fast geschwätzig fort: »Wie wäre es, wenn du vor der Abreise noch einmal das Fohlen besuchtest? Es macht sich gut, du hast es doch lange nicht gesehen. — Du würdest gern reiten? Gut. Ich gehe und hole Babette, bis du und Susan mit den Kleidern fertig seid.«

Als sie zurückkamen, war Tony wieder mehr die Alte, und sie unterhielten sich angeregt über das Fohlen. Um persönlichere Dinge ging es nicht, und ich war sicher, daß Peter sein Gespräch auf die Farm und die Pferde beschränkt hatte.

Aber in seinem klugen Kopf ging mehr vor, als Tony ahnte, denn als sie sich ziemlich gleichgültig von ihm verabschiedet hatte und sich umziehen ging, sah Peter nicht im geringsten niedergeschlagen aus. Ich begleitete ihn bis zum Tor, und ich lachte fröhlich, als er auf Wiedersehen sagte. »Nützliche Wesen, die Pferde«, meinte er ganz unvermittelt. »Ich glaube, Susan, ich muß noch ein paar Zuchtstuten kaufen.«

Womit er auf seine Art sagte, daß er um das Mädchen werben würde, sobald die Zeit gekommen war.

Das ganze Wochenende war Tony unruhig und unglücklich. Als die Wirkung des Ritts vorüber war, wanderte sie herum und horchte, ich war sicher, auf das Geräusch von Olivers Wagen. Er kam nicht, und ich war froh, als wir früh am Montag morgen abfuhren, bevor Miss Adams Dr. Barrett ihren Brief geben konnte.

Ihr Flugzeug startete an diesem Abend um fünf Uhr. Eine lange heiße Fahrt lag vor uns. Wir waren alle bewußt fröhlich, und es gab keinen tränenreichen Abschied. Paul hatte sich von der ausgesprochen praktischen Seite gezeigt und sich damit begnügt nachzuprüfen, daß Tonys Gepäck das erlaubte Gewicht nicht überschritt. Sie bestand darauf, ihn zum Abschied zu küssen, und ich wußte, daß er merkte, wie nahe sie den Tränen war, denn er klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter und sagte: »Grüße Alister von mir und sage ihm, er soll auf dich aufpassen und dafür sorgen, daß du bei den Japanern nicht eine Menge unnützes Zeug kaufst.«

Das war alles. Von den anderen hatte sie sich am Telefon verabschiedet; viele sagten, wie sehr sie sie um ihr Glück beneideten, diese Reise machen zu dürfen.

Larry und ich fanden die großen Flugzeuge und die Geschäftigkeit am Flughafen äußerst aufregend. Wir hatten es gerade noch geschafft, denn unser altes Auto war auf der Fahrt sehr heiß gelaufen und langsam geworden, so daß Tony auf den Flugaufruf nicht lange zu warten brauchte. Ich fand, daß sie wie ein trauriges, einsames Mädchen aussah, als sie zu den anderen Passagieren in den Warteraum ging. Dann schaute sie noch einmal über die Schulter zurück, löste sich plötzlich aus der Schlange und rannte zum Eingang, um mir noch einen Kuß zu geben und zu flüstern: »Meine liebe Susan, das war alles so lieb von dir... Und ich werde wiederkommen — ich wünschte nur so sehr, ich müßte dich nicht verlassen!«

Ich schluckte krampfhaft und sagte: »Unsinn, du wirst eine herrliche Zeit haben. Geh jetzt in die Schlange zurück, sonst fällst du auf... Aber winke uns von der Gangway«; das tat sie auch.

Wir warteten, bis das Flugzeug startete, denn für die Einkäufe blieb uns noch der ganze nächste Tag. Als sie im Flugzeug verschwunden war, schien alles plötzlich ganz öde und leer. Wir winkten beide heftig, falls sie am Fenster saß und uns sah, doch schließlich rollte das schwere Flugzeug an und stieg endlich in die Lüfte. Es entschwand schnell unserer Sicht, und wir kehrten um.

Larry sagte fröhlich: »So, Gott sei Dank, sie ist weg. Bis sie wiederkommt, ist Oliver verschwunden und für den Bezirk nur noch eine angenehme Erinnerung. Ich mochte ihn, aber es wäre nie gutgegangen... Ob wir je einen neuen Arzt bekommen — aber warum darüber reden? Ich wette schon jetzt, daß wir keinen kriegen werden.«

Ich wettete nicht dagegen, denn ich wußte, daß sie recht hatte. Wir bekamen keinen neuen Arzt.

Später, als wir uns in einem Restaurant ein Abendessen gönnten, sagte ich ein wenig neidisch: »Tony wird eine herrliche Zeit haben, alle möglichen interessanten Leute kennenlernen und viele fremde Dinge sehen.«

»Und alle möglichen fremden und exotischen Gerichte essen«, sagte Larry fröhlich und bestellte gebratenes Schweinefleisch. Dann fügte sie nachdenklich hinzu: »Ja, das wird sie alles tun, aber letztlich wäre ich überhaupt nicht erstaunt, Susan, wenn sie entdeckt, daß ihr ein gutes Bauernomelett lieber ist.«